Christen sollen sich auch Freiheit nehmen, "nicht mitzutun, was der Zeitgeist vorgibt" sagte Erzbischof Franz Lackner beim Glaubensfest der Rosenkranz-Sühnekreuzzug-Gebetsgemeinschaft am 9. und 10. September 2023 in Wien. Den Impuls zum Thema der Feier: „Europa – wohin? gab EU-Vizeparlamentspräsident Othmar Karas und der dabei hervorhob "Christliche Werte sind ein sicherer Kompass und Antwort auf die Frage: Europa - wohin?"
Europa hat Zukunft und kann die zahlreichen Herausforderungen meistern, wenn sich Christen verantwortungsvoll einbringen und für das jüdisch-christliche Fundament der Wertegemeinschaft des Kontinents einsetzen. Diese Überzeugung teilten der Salzburger Erzbischof Franz Lackner und der Erste Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas, bei der Maria Namen-Feier am Samstag im Wiener Stephansdom. Die traditionsreiche Feier stand heuer unter dem Thema "Europa - wohin?".
Der Salzburger Erzbischof warnte in der Predigt vor allzu raschen Antworten. Christsein bedeute, sich den Fragen der Zeit auszusetzen und sich einzubringen, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Europa als einen Raum beschrieb, wo es zu einer einzigartigen Begegnung zwischen griechischer Philosophie und jüdisch-christlichen Offenbarungsglauben gekommen sei.
Frucht dieser Begegnung sei das Wissen um die bedingungslose und einzigartige Würde der Person, die die Grundlage für die Menschenrechte bilde. Für Christen gründe dabei die Einzigartigkeit der Person letztlich auf den je einzigartigen Schöpfungsakt Gottes, der dem Menschen seine unveräußerliche Würde verleihe, so Lackner unter Bezugnahme auf den schottischen Theologen und Franziskaner Johannes Duns Scotus.
Im Blick auf die unveräußerliche Personwürde betonte der Salzburger Erzbischof die Unantastbarkeit und den Geschenkcharakter des Lebens: "Anfang und Ende sind Momente des Lebens, die in eine andere Wirklichkeit verweisen", sagte Lackner und warnte davor, dass Anfang und Ende des Lebens immer mehr in die "Machbarkeit des Menschen" kämen. "Das aber schwächt die Lebenskraft zwischen Anfang und Ende." Von daher sei der starke Anstieg der Suizidgefährdung von Kindern und Jugendlichen ein erschreckendes Signal, so Lackner unter Bezugnahme auf aktuelle Untersuchungen.
Das Gebet und der Einsatz für das Leben als eine Gabe Gottes müsse für Christen daher ganz oben stehen bei ihrem Engagement. Christen sollen sich in Europa einbringen, durch das, was sie nicht tun, gab der Erzbischof zu bedenken. Christen sollten sich die Freiheit nehmen, nicht mitzutun, was der Zeitgeist vorgibt, sondern "sich dafür einsetzen, was wir glaubend gesehen haben". Konkret bedeute dies Gebet und Einsatz für den Frieden in der Ukraine.
"Die christlichen Werte weisen uns den Weg. Sie sind ein sicherer Kompass und die Antwort auf die Frage: Europa - wohin?" Das betonte der Erste Vizepräsident des Europaparlaments bei seinem Impulsvortrag im Rahmen der Feier und stellte dabei den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die zahlreichen gemeinsamen Herausforderungen in Europa in das Zentrum seiner Ausführungen. "Europa ist im Krisenmodus" und es brauche das Engagement und das Verantwortungsbewusstsein aller. Deutliche Worte fand Karas zum Krieg an den Grenzen Europas: Es sei ein "barbarischer Angriffskrieg", ein "brutaler völkerrechtswidriger Vernichtungskrieg", denn Russland seit dem 24. Februar 2022 gegen die Ukraine üühre.
Europa und das Christentum seien "untrennbar verbunden", hielt der bekennende Katholik fest. Wenn man von Europa als Wertegemeinschaft spreche, dann sei damit in erster Linie auch das christlich-jüdische Wertefundament des Kontinents gemeint, betonte der EU-Parlamentarier. Ausdrücklich plädierte Karas, die Komplexität der Welt ernst zu nehmen und warnte vor populistischen Vereinfachungen.
Christen seine gerufen, gemeinsam Lösungen zu suchen im Blick auf europäische Werte wie Friede, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Personwürde, Solidarität und Subsidiarität. "Behalten wir uns ein hörendes Herz" so Karas unter Verweis auf biblische Worte von König Salomon. "Lasst uns für einen baldigen und gerechten Frieden in der Ukraine beten", bekräftigte der Vizepräsident des EU-Parlaments und schloss: "Setzen wir Taten der Solidarität, es bleibt viel zu tun."
Der Guardian des Wiener Franziskanerklosters Pater Oliver Ruggenthaler verlas auch ein Grußwort aus der Wiener Apostolischen Nuntiatur. Darin übermittelte Erzbischof Pedro Lopez Quintana als Nuntius die "herzlichen Segenswünsche von Papst Franziskus", der im Gebet für den Frieden verbunden sei. "Der Friede in Österreich ist nicht zu trennen von Friede, Freiheit und Wohlergehen aller Völker". Es gelte, weiterhin den Rosenkranz zu beten für den Frieden in der Welt, so der Nuntius in seiner Grußbotschaft, in der er an das "segensreiche Wirken" von Pater Mikocki erinnerte.
Die traditionelle Prozession mit der Fatimastatue bildete den Abschluss der Feier im Stephansdom. Die zweitägige Feier wurde am Sonntag fortgesetzt. Geleitet wurde sie vom Vorsitzenden der Österreichischen Ordenskonferenz und Erzabt von St. Peter, Korbinian Birnbacher.
Foto: Franz Josef Rupprecht