Künstlerische Darstellungen der Geburt Jesu erwecken starke Gefühle durch die Darstellung des neugeborenen Kindes und Marias, oftmals zusammen mit dem hl. Josef in einer einzigartigen Umgebung, die je nach Entstehungszeitraum des Kunstwerkes variiert.
Zum Zwecke dieses Artikels und um die Kombination aus stiller Begeisterung für das Weihnachtsfest zu zeigen, das heißt die Tatsache, dass Gott als Mensch geboren wurde und ab dem Säuglingsalter verschiedene Lebensphasen durchlaufen hat, habe ich ein Kunstwerk ausgewählt: ein Gemälde des französischen Malers William Adolphe Bouguereau mit dem Titel „Das Lied der Engel“.
Die Darstellungen der Geburt Jesu sind ausdrucksstark, detailreich oder eindrucksvoll und machen Jesus oftmals zur zentralen Figur des Bildes. Oft nutzen sie auch die Kontrasttechnik von Licht und Schatten, damit das „große Licht“, um es mit dem Propheten Jesaja zu sagen, das deutlich im Bild zu sehen ist, beim Betrachter das Gefühl und die Erkenntnis hervorrufen möge, dass er nicht ein einfaches Kind in einer Krippe sieht, sondern den neugeborenen Sohn Gottes.
In diesem Gemälde, das im Jahr 1881, in der Zeit des Neoklassizismus, entstand, finden sich auch Elemente einer fast fotografischen Darstellung von Maria, Jesus und den Engeln. Dabei handelt es sich nicht um eine klassische Darstellung einer Krippe, sondern Maria und Jesus sind in einer natürlichen Umgebung platziert, die überall zu finden ist, begleitet von der Serenade dreier Engel, die verschiedene Instrumente spielen. Ebenso sind die Charaktere in vielen Darstellungen der Geburt Jesu wachsam, aufmerksam und werden in verschiedenen Formen der Bewunderung, des Staunens, der Anbetung oder einfach der Überraschung gezeigt. Hier haben wir etwas Gegenteiliges: die schlafende Maria und Jesus, die einander halten und sich gegenseitig in einen Zustand der Ruhe versetzen. Maria hält Jesus ganz entspannt in ihren Armen, während er sich an ihre Brust lehnt und so aussieht, als würde er sich kurzzeitig ausruhen, indem er sich mit seinen Händen auf ihren Arm stützt. Seine an ihre Brust gelehnte Haltung verrät uns etwas, das nichts mit Maria zu tun hat, nämlich dass Gott „seinen Frieden findet“ in der Liebe zu einem Menschen, der bereit ist, ihn aufzunehmen, so wie der Mensch „zur Ruhe kommt“, wenn er seinen Frieden findet in Gott.
Auch die schlafende Maria zeigt uns mit ihrer ruhigen Haltung diese Wahrheit der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Das Bild zeigt Engel im Wachzustand und beim Musizieren. Hier finden wir einen Kontrast zwischen denen, die wach sind, und denen, die schlafen. Aber das Konzert der Engel steht hier für mehrere Dinge: für uns, die wir zu Gott singen in der Weihnachtsmesse auf der ganzen Welt, Engel, die sich im Himmel über seine Geburt freuen, und für die Gabe der Musik, die die vortrefflichste Form des Ausdrucks der Liebe der Seele für Gott ist. Interessant ist, dass sie der verwendeten Instrumente, dem Aussehen der Engel und der Stellung des Trios nach, eine Serenade spielen.
Eine Serenade wurde normalerweise für jemanden gesungen, in den der Autor oder Interpret verliebt war. Es handelt sich um eine Komposition mit ruhigerem Ton und allegorischer (übertragener) Bedeutung. Ein Konzert oder ein Lied zu Gott durch die Engel oder durch uns ist ein Ausdruck der „Liebe“ der Seele zu Gott. Dieser Begriff bezieht sich in erster Linie auf eine ehrfürchtige Konzentration und eine Haltung der völligen Akzeptanz der Person, in die wir verliebt sind, da sie das „Terrain“ für den Beginn der wahren Liebe bereitet. Die Engel repräsentieren diese beiden Haltungen mit ihrer Mimik; diese Stimmung ist auf ihren Gesichtern abzulesen.
Jesus auf dem Bild ist ebenfalls mit hellem Teint dargestellt, ähnlich dem der Engel, er wirkt durch den Kontrast von Marias dunkelblauem Kleid auch heller, aber er wird auch als wohlgenährtes, zufriedenes Kind mit einem etwas reiferen Gesichtsausdruck dargestellt, als man von einem Kleinkind erwarten würde. Wir sehen, dass dieses Kind heilig ist. Gleichzeitig finden wir einen Kontrast darin, dass Jesus fast unbekleidet dargestellt wird, was an Szenen aus der Krippe erinnert, aber noch einen Schritt weiter geht. Seine Nacktheit auf dem Bild ist nicht nur Ausdruck der Bewunderung für die Schönheit eines kleinen Kindes, sondern steht auch für Verletzlichkeit und das Ausgesetzsein. Auch am Kreuz ist Jesus nackt, ausgesetzt und verletzlich bis zum Äußersten des Todesopfers. Hier im Bild ruht er auf dem Schoß Mariens, der mit seiner stabilen Position an den Opfernden, den Altar, erinnert. Die Aufmerksamkeit, mit der ihn ihre Hände halten, spiegelt die Aufmerksamkeit wider, mit der der Priester das Allerheiligste Altarsakrament in der hl. Messe handhabt. Noch heute legen wir in unserer Kirche die Hostie mit der gleichen ruhigen Aufmerksamkeit auf die Hostienschale oder in das Ziborium, wie Maria Jesus.
Andererseits: Maria und Jesus sitzen, während sie schlafen. Wenn wir darüber nachdenken, ist Marias aufrechte Haltung sehr ungewöhnlich. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe LeserInnen, aber für mich ist es fast unmöglich, im Sitzen einzuschlafen, ohne irgendwann umzukippen. Warum so eine Abbildung? Deshalb, weil sich daraus die mütterliche Aufmerksamkeit der Liebe Gottes ablesen lässt, die Maria ausstrahlt, und sie richtet sich nicht nur ausschließlich auf Jesus, sondern durch ihn, mit ihm und in ihm auf den Menschen. Alles in allem spiegelt das Gemälde den Moment des Erscheinens des Friedens Gottes unter den Geschöpfen wider, der in der Gemeinschaft mit Gott und unserer gegenseitigen Gemeinschaft gegenwärtig ist. Die Szene ist eigentlich ein Paradies „im Kleinen“.
Warum habe ich dieses besondere Bild von Jesus als Weihnachtsthema für diesen Text ausgewählt? Es beschreibt sinngetreu die Stimmung der Harmonie von Wachsamkeit und Liebe in der Szene, die wir beobachten, und stellt tatsächlich allegorisch die Beziehung zwischen Christus und der Kirche durch die Gemeinschaft dar. Maria hält Jesus, wie die Kirche ihn „hält“, das heißt, durch die Kirche schenkt er sich weiterhin der Welt, wie er sich einst bei seiner Geburt durch Maria geschenkt/hingegeben hat. Ihr „Ja“ zum Engel ist unser „Ja“ zu Gott, wie im Akt der Zustimmung bei einer Hochzeit, diesem himmlischen Bankett, bei dem der Bräutigam ewig wachsam darauf wartet, dass Seelen sich ihm jetzt und in der Zukunft anschließen.
Mit diesen Gedanken wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein gesegnetes Weihnachtsfest, dass Sie sich einander schenken, so wie Er sich selbst uns geschenkt hat!
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